Ausweitung Ausgleichsanspruch

In seiner Entscheidung vom 13. Juli 2011 – VIII ZR 17/09 – hat der Bundesgerichtshof grundlegend die Berechnungsgrundlage für die Ermittlung des Ausgleichsanspruches ausgeweitet.
Zum einen hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass ein Mehrfachkundengeschäft auch dann angenommen werden kann, wenn der Nachkauf durch den Ehegatten oder einen nahen Angehörigen des Erstkäufers erfolgt ist. Entgegen der weit verbreiteten Auffassung ist es nach Auffassung des Bundesgerichtshofes insoweit nicht erforderlich, dass eine häusliche Gemeinschaft zwischen dem Erst- und dem Zweitkäufer besteht. Damit trägt der Bundesgerichtshof dem Umstand Rechnung, dass der maßgebliche Kaufentschluss des Nacherwerbers nicht voraussetzt, dass dieser mit dem Erstkäufer unter einem Dach lebt. Vielmehr ist für die Frage, ob ein Ehegatte oder ein naher Angehöriger sich für eine bestimmte Marke entscheidet, die enge familiäre Verbindung zu dem Erstkäufer maßgebend. Dementsprechend können auch Geschäfte bei der Ermittlung des Ausgleichsanspruches berücksichtigt werden, bei denen beispielsweise ein Sohn oder eine Tochter des Erstkäufers den Nachfolgekauf tätigt, da die Eltern diese dazu ermuntert hatten.
Zum anderen hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich klargestellt, dass es für die Berücksichtigungsfähigkeit von Fahrzeugen beim Ausgleichsanspruch nicht darauf ankommt, ob es sich um Neuwagen handelt oder nicht. Entscheidend sei, dass die betreffenden Fahrzeuge noch nicht „gebraucht“ seien. Neben Tageszulassungen können daher auch solche Fahrzeuge bei der Berechnung des Ausgleichsanspruches mit berücksichtigt werden, die älter als 12 Monate sind und dementsprechend nicht mehr kaufrechtlich als Neufahrzeuge verkauft werden können. Der Bundesgerichthof hat damit erneut den Versuchen der Hersteller eine Absage erteilt, den Ausgleichsanspruch zu beschränken. Gerade in den vergangenen Jahren war seitens der Hersteller versucht worden, sowohl ältere Lagerwagen als auch Tageszulassungen, die länger auf den Höfen der Händler standen, auf Kosten der Berechnung des Ausgleichsanspruches heraus zu rechnen. Indem der Bundesgerichtshof einzig und allein auf den „Gebrauch“ der Fahrzeuge abstellt, trägt er auch dem Umstand Rechnung, dass viele Tageszulassungen und ältere Lagerwagen aufgrund des Vertriebsdrucks der Hersteller bei den Händlern stehen.
Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung nochmals bekräftigt, dass Abzüge für handelsvertreteruntypische Vergütungsbestandteile auch nur vom Rohertrag unter Ausschluss der variablen Vergütungsbestandteile abgezogen werden können. Werden dem Händler, wie einem Handelsvertreter, zusätzliche Vergütungsbestandteile gewährt, wie Prämien und Boni, kann ein Abzug nicht von diesen vorgenommen werden.
Bestätigt hat der Bundesgerichtshof allerdings die Auffassung der Vorgerichte, dass insbesondere hinsichtlich eines Billigkeitsabschlages ein weites Ermessen der Gerichte besteht. Konkret hat der Bundesgerichtshof die Annahme einer Sogwirkung für die Marke von 25 % nicht beanstandet. Entsprechendes gilt hinsichtlich eines Abzuges von 5 % für die Übernahme eines Servicevertrages. Ist der Händler nach Beendigung des Händlervertrages für einen anderen Händler als Vermittler tätig, kann ein weiterer Abschlag von 5 % angemessen sein.
Gerade vor dem Hintergrund der teilweise gekündigten Händlernetze und der Netze, in denen Händler in jüngster Vergangenheit ausgeschieden sind, stellt die getroffene Entscheidung des Bundesgerichtshofes eine maßgebliche Stärkung der Position des Handels dar. Zusammen mit dem in der jüngsten Vergangenheit ebenfalls ergangenen Entscheidung des Bundesgerichtshofes, insbesondere hinsichtlich der Berücksichtigungsfähigkeit von Prämien und Boni, sollten in Zukunft langwierige Rechtsstreite vermieden werden können, da über die maßgeblichen Punkte die Berechnung des Ausgleichsanspruches nunmehr so gut wie alle Rechtsfragen geklärt sind.

BGH-Entscheidung (pdf, 342 KB)