EU-Kommission veröffentlicht „Häufig gestellte Fragen“

Über ein Jahr nach Inkrafttreten der GVO 461/2010 hat die EU-Kommission am 27. August 2012 „Häufig gestellte Fragen zur Anwendung des EU-Kartellrechts im Kraftfahrzeugsektor“ veröffentlicht. Diese „Häufig gestellte Fragen“ spielten bereits bei der GVO 1400/2002 eine große Rolle.
Die FAQ beschäftigen sich insbesondere mit der Einhaltung von Gewährleistungen, Kundendienstleistungen im Rahmen von Leasingverträgen, Lieferung von Ersatzteilen, Nutzung bzw. Kauf von Werkzeugen, Zugang zu technischen Informationen und dem Zugang zu den Netzen zugelassener Werkstätten.
Besonders hervorzuheben ist, dass die EU-Kommission weiter daran festhält, dass die quantitative Selektion im Bereich des Service nach ihrer Auffassung gegen EU-Wettbewerbsrecht verstößt. So führt die EU-Kommission aus, dass es sich selbst bei dem Kriterium, dass die interessierte Werkstatt bereits für die Reparatur von Fahrzeugen der Marke eines konkurrierenden Kraftfahrzeuganbieters zugelassen sei, es sich nicht um ein qualitatives Kriterium handelt. Zudem führt die Kommission aus, dass auf den Wettbewerb auf dem relevanten Markt abzustellen sei, der nach ihrer Auffassung in diesem Fall aus dem Markt für Reparatur- und Wartungsdienstleistungen bestünde. Damit stellt sich die EU-Kommission gegen die Auffassung des Bundesgerichtshofes, der in seinen MAN-Entscheidungen die Auffassung vertreten habe, dass trotz Erfüllung der Qualitätskriterien ein Aufnahmeanspruch kartellrechtlich nicht bestehe (siehe auch hier).
Zudem ist die EU-Kommission der Auffassung, dass die Gewährung von Prämien oder Rabatten für Originalteile (Captive Parts) unter der Bedingung, dass die Werkstätten auch andere Ersatzteile beziehen, es sich um die rechtsmissbräuchliche Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung des jeweiligen Kraftfahrzeuganbieters handeln kann. Daher wird zukünftig die Verknüpfung der Rabattierung sogenannter Captive-Parts an die Abnahme von wettbewerbsgefährdenden Teilen nicht mehr zulässig sein.
Interessant sind auch die Ausführungen der EU-Kommission hinsichtlich des Vorschreibens der Durchführung des Kundendienstes in Vertragswerkstätten bei Abschluss eines Leasingvertrages. So führt die EU-Kommission aus, dass grundsätzlich die Leasinggesellschaft vorsehen könne, dass die Wartung des Fahrzeuges in autorisierten Werkstätten zu erfolgen habe. Allerdings führt die EU-Kommission aus, dass dies nur dann gelte, solange keine Gewissheit bestehe, dass das Eigentum an dem Fahrzeug an den Leasingnehmer übertragen wird. Insoweit läge es im Interesse des Leasingunternehmens, den Restwert des Fahrzeuges zu wahren. Da bei vielen Herstellern jedoch der Händler das Restwertrisiko durch eine entsprechende Übernahmeverpflichtung übernimmt, könnte fraglich sein, ob nach der Auffassung der EU-Kommission auch in diesem Fall eine Verpflichtung zur Durchführung von Kundendienstarbeiten durch autorisierte Vertragswerkstätten wirksam ist.
Insgesamt ist festzuhalten, dass die EU-Kommission mit den FAQ wieder für ein Stück Rechtssicherheit sorgt. Es bleibt abzuwarten, wie die Hersteller hiermit umgehen werden.

Häufig gestellte Fragen