Mit zwei Entscheidungen vom 30. März 2011 (BGH KZR 6/09 und BGH KZR 7/09) hat der Bundesgerichtshof einen Autorisierungsanspruch von Werkstätten hinsichtlich des Zugangs zum MAN-Servicewerkstattnetz abgelehnt.
Anders als die Vorinstanz, das Oberlandesgericht München (BB 2009, 518), ist der Bundesgerichtshof der Auffassung, dass MAN auf dem maßgeblichen Markt keine marktbeherrschende Stellung habe.
Zur Begründung führt der Bundesgerichtshof aus, dass zwischen einem vorgelagerten Markt und einem nachgelagerten Markt unterschieden werden müsse. Bei dem nachgelagerten Markt handelt es sich insoweit um die an dem Markt zu erbringenden Dienstleistungen an MAN-Fahrzeugen. Dem gegenüber soll der vorgelagerte Markt alle Produkte, Dienstleistungen und Rechte umfassen, die den Zutritt zum nachgelagerten Endkundenmarkt erleichtern. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes ergeben sich aus den – verbindlichen – Festlegungen des Vorgerichtes keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass MAN auf dem vorgelagerten Markt eine marktbeherrschende Stellung habe.
Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofes sind deshalb überraschend, da selbst die EU-Kommission in den Leitlinien zur Kfz.-GVO 461/2010 ausdrücklich festgestellt hat, dass sie es als wichtig erachtet, dass der Zugang zu den Netzen zugelassener Werkstätten allen Unternehmen offenstehen soll, die bestimmte Qualitätskriterien erfüllen. Die EU-Kommission verweist insoweit in RdNr. 70 der Leitlinien, dass die Fallgestaltungen, in denen ein entsprechender Zugang nicht gewährt werde, dazu führen, dass der gesamte Vertrag unter Artikel 101 Abs. 1 AEUV falle.
Zwar ist nicht von der Hand zu weisen, dass gerade in der jüngsten Vergangenheit zutreffend bei der Abgrenzung der relevanten Märkte zwischen vorgelagerten und nachgelagerten Märkten unterschieden wird (siehe hierzu auch Nürburgring). Der Bundesgerichtshof verkennt bei seiner Festlegung des vorgelagerten Marktes jedoch, dass hierbei nicht auf den „Gesamtmarkt“ abgestellt werden kann. Die Bewerber beabsichtigten in den vorliegenden Fallgestaltungen, Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistung für MAN-Nutzfahrzeuge gegenüber Endkunden anzubieten. Bei dieser Definition des nachgelagerten Marktes auf MAN-Nutzfahrzeuge ist der vorgelagerte Markt nicht der gesamte Nutzfahrzeugmarkt, sondern ausschließlich der Markt für MAN-Nutzfahrzeuge. Auf diesem Markt hat der entsprechende Hersteller, im vorliegenden Fall MAN, eine marktbeherrschende Position. Ob der Bundesgerichtshof zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre, wenn in den betreffenden Verfahren hinreichende Anhaltspunkte dafür vorgetragen worden wären, dass der Markt für die Erbringung von Garantieleistungen, Kulanzleistungen und Leistungen im Rahmen von Rückrufaktionen ein eigenständiger Markt wäre, lässt der Bundesgerichtshof offen.
Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofes zeigen, wie notwendig und erforderlich eine ordnungsgemäße Marktabgrenzung vorzunehmen ist. Allein die Bekundung der EU-Kommission, dass nach ihrer Ansicht ein Zugang zu gewähren ist, bedeutet nicht automatisch, dass deutsche Gerichte dem auch nachkommen. Gerade vor dem Hintergrund, dass der Bundesgerichtshof mehrfach ausführt hat, dass keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine anderweitige Marktabgrenzung vorlägen, zeigt, dass es sich insoweit um Einzelfallentscheidungen handelt, die den auch nach dem Willen der EU-Kommission bestehenden Autorisierungsanspruch nicht generell in Frage stellen.